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Mario Sironi

Mario Sironi, geboren am 12. Mai 1885 in Sassari auf Sardinien, war ein italienischer Maler, Bildhauer, Illustrator und Designer, der als eine Schlußfigur des italienischen Modernismus gilt. Seine Werke sind durch massive, unbewegliche Formen und eine oft melancholische Stimmung geprägt, wodurch sie eine einzigartige Ausdruckskraft erhielten. Obwohl er früh mit dem Futurismus in Verbindung gebracht wurde, entwickelte er bald eine eigene stilistische Handschrift, die sich später in den Novecento Italiano einordnen ließ. Neben seinen Gemälden sind seine monumentalen Wandmalereien von besonderer Bedeutung, mit denen er den Versuch unternahm, die Kunst als Bestandteil der Architektur in das tägliche Leben einzubinden. Sein künstlerisches Schaffen wurde lange Zeit durch seine enge Verbindung zum faschistischen Regime Mussolinis überschattet, doch seit den 1980er Jahren wird sein Werk wieder intensiver erforscht und aus kunsthistorischer Sicht neu bewertet.

Wichtige Werke und Ausstellungen

  1. Die Lampe (La Lampada, 1919) – Pinacoteca di Brera, Mailand
  2. Venus (Venere, 1921–1923) – Galleria Civica d’Arte Moderna, Turin
  3. Einsamkeit (Solitudine, 1925) – Galleria Nazionale d’Arte Moderna, Rom
  4. Der Architekt (L’Architetto, 1922) – Privatsammlung
  5. Die Schülerin (L’Allieva, 1924) – Privatsammlung
  6. Arbeiter (Il Lavoro, 1936) – Università degli Studi di Roma „La Sapienza“, Rom
  7. Italien zwischen den Künsten und Wissenschaften (L’Italia tra le Arti e le Scienze, 1935) – Aula Magna der Universität La Sapienza, Rom
  8. Die Arbeit (Il Lavoro o Le opere e i giorni, 1933) – V Triennale di Milano, Mailand
  9. Die Gerechtigkeit (La Giustizia, 1936–1938) – Palazzo di Giustizia, Mailand
  10. Komposition (Composizione, 1950–1953) – Tate Gallery, London

Künstlerische Entwicklung

Frühe Karriere und Ausbildung

Mario Sironi wuchs in Rom auf, wo seine Familie bereits 1886 hinzog. Seine frühen Jahre waren durch die technische Prägung seines Vaters, eines Ingenieurs, und seines Großvaters Ignazio Villa, eines Bildhauers und Architekten, geprägt. Zunächst begann er 1902 ein Ingenieurstudium an der Universität Rom, das er bereits ein Jahr später aufgrund einer schweren Depression abbrach. In dieser Zeit wandte er sich unter dem Einfluss von Giacomo Balla der Malerei zu. Balla, ein Vorreiter des Futurismus, prägte Sironis erstes künstlerisches Schaffen nachhaltig, indem er ihn mit der divisionistischen Malweise vertraut machte. Diese Technik, die auf der Zerlegung von Farben in kleine Punkte oder Striche basierte, war ein bedeutendes Merkmal der frühen modernen italienischen Kunst. Sironi erweiterte seinen Horizont durch Studienreisen nach Paris und Deutschland, wo er sich mit den Ideen des Expressionismus auseinandersetzte. 1914 zog er nach Mailand, wo er in die avantgardistische Kunstszene eintrat und sich mit Künstlern wie Umberto Boccioni und Gino Severini austauschte.

Wichtige Stationen und Werke

Frühe Distanz zum Futurismus und Annäherung an das Metaphysische

Obwohl Sironi 1914 offiziell als Futurist auftrat, blieb sein Verhältnis zur Bewegung ambivalent. Seine Vorliebe für statische, architektonisch wirkende Formen stand im Widerspruch zum dynamischen Gestaltungswillen der Futuristen. Dennoch beteiligte er sich 1916 an der Freien Futuristischen Ausstellung in Rom. Nach dem Ersten Weltkrieg wandte er sich zunehmend von der Bewegung ab und orientierte sich an der metaphysischen Malerei Giorgio de Chiricos, ohne dessen surreale Elemente vollständig zu übernehmen. Werke wie La Lampada (1919) und Solitudine (1925) veranschaulichen seine Suche nach einer stillen, introspektiven Bildsprache.

Aufbruch in den Novecento und Rückgriff auf klassische Ordnung

In den 1920er Jahren schloss sich Sironi der von Margherita Sarfatti initiierten Bewegung Novecento Italiano an. Gemeinsam mit Künstlern wie Carlo Carrà und Giorgio de Chirico verfolgte er das Ziel, eine neue, neoklassisch geprägte Kunst zu schaffen, die moderne Ausdrucksformen mit der italienischen Tradition verband. In dieser Phase entstanden Werke mit klaren Konturen, monumentalen Figuren und einer bewussten Reduktion der Bildmittel – Ausdruck eines neuen Klassizismus mit zeitgenössischem Anspruch.

Monumentalität und politische Verankerung im Faschismus

Ab den 1930er Jahren entwickelte Sironi eine Vision, in der Malerei und Architektur eine gestalterische Einheit bilden sollten. In monumentalen Wandgemälden wie L’Italia tra le Arti e le Scienze (1935) verband er klassische Themen mit moderner Formgebung. Als Mitverfasser des Manifesto della pittura murale (1933) setzte er sich für die Wiederbelebung der Freskokunst ein. Diese Ausrichtung fand Anklang beim faschistischen Regime, das ihm staatliche Aufträge und öffentliche Anerkennung verschaffte. Seine Kunst wurde zunehmend Teil der offiziellen Repräsentation.

Mario Sironi nach 1945: Rückzug und düstere Spätphase

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Sironis enge Verbindung zum faschistischen Staat zu einer schwer überwindbaren Last. Öffentliche Anerkennung blieb aus, und er zog sich zunehmend ins Private zurück. In seinen späten Arbeiten, darunter die Serie Apocalypse, kehrte er zur Staffeleimalerei zurück. Diese Werke zeigen eine gebrochene, fragmentierte Bildwelt, geprägt von dunkler Farbgebung, existenzieller Schwere und innerer Zerrissenheit – ein letzter Ausdruck seiner komplexen künstlerischen Identität.

Stilmerkmale

  • Monumentalität: Sironis Werke sind von massiven, wuchtigen Formen geprägt, die eine fast architektonische Strenge vermitteln.
  • Düstere Farbpalette: Seine Bilder bestehen meist aus erdigen, dunklen Tönen, die eine melancholische, oft bedrückende Atmosphäre erzeugen.
  • Geometrische Strukturen: Klare Linien und geometrische Formen verleihen seinen Werken Stabilität und Nachdruck.
  • Metaphysische Einflüsse: Viele seiner Gemälde enthalten rätselhafte Figuren und leere Räume, die an Giorgio de Chiricos Bildwelten erinnern.
  • Architektur als Motiv: Besonders seine Stadtlandschaften zeigen massive Gebäude und leere Straßenzüge als Symbole der Isolation.

Techniken und Materialien

Mario Sironi arbeitete mit Öl- und Temperafarben, oft auf Leinwand oder Holz. Ab den 1930er Jahren wandte er sich der Wandmalerei zu und verwendete Freskotechniken, Mosaike und Basreliefs, um großflächige, architektonisch integrierte Kunstwerke zu schaffen. Seine Malweise wurde zunehmend pastos und expressiv, insbesondere in seinen späteren, fragmentierten Werken.

Sironis Einfluss und Vermächtnis

Mario Sironis künstlerisches Erbe ist vielschichtig. Sein monumentaler Stil beeinflusste die italienische Nachkriegskunst, insbesondere die Sozialrealisten. Künstler wie Renato Guttuso setzten sich mit seinem Werk auseinander, während seine Wandmalereien Spuren in der Architektur der Moderne hinterließen. Auch die abstrakten und neoklassizistischen Strömungen der 1950er Jahre griffen Elemente seiner Bildsprache auf. Internationale Beachtung fand sein Werk in den 1980er Jahren, als er in großen Ausstellungen, darunter die documenta 1 (1955), documenta II (1959) und documenta III (1964), neu kontextualisiert wurde.

Mario Sironi: Die wichtigsten Fakten

  • Geboren am 12. Mai 1885 in Sassari, Sardinien
  • Studierte ursprünglich Ingenieurwissenschaften, wandte sich aber der Malerei zu
  • Nahm an der futuristischen Bewegung teil, distanzierte sich aber bald
  • Mitbegründer der Novecento Italiano-Bewegung
  • Wurde in den 1930er Jahren zum bedeutendsten Vertreter der monumentalen Wandmalerei
  • Enge Verbindung zum faschistischen Regime Mussolinis
  • Werke wurden nach 1945 lange ignoriert, in den 1980er Jahren neu bewertet

Mario Sironi hinterließ ein vielschichtiges Werk, das zwischen Avantgarde, Monumentalität und persönlicher Isolation oszilliert. Seine stilistische Entwicklung – vom divisionistisch beeinflussten Frühwerk über den metaphysischen Realismus bis hin zur neoklassischen Strenge des Novecento – zeugt von einem Künstler, der nie nach formaler Bequemlichkeit strebte. Trotz seiner problematischen Nähe zum Faschismus ist sein Einfluss auf die italienische Kunst des 20. Jahrhunderts nicht zu leugnen: Seine monumentalen Kompositionen, seine kraftvolle Bildsprache und sein Versuch, Kunst und Architektur zu vereinen, prägten Generationen. Sironi verstarb am 13. August 1961 in Mailand im Alter von 76 Jahren.

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