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Gabriele Münter

Gabriele Münter, geboren am 19. Februar 1877 in Berlin, war eine zentrale Figur des deutschen Expressionismus. Sie war Mitbegründerin der Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“ und eine der wenigen Frauen, die sich in der von Männern dominierten Kunstszene des frühen 20. Jahrhunderts behaupten konnten. Ihr Werk zeichnet sich durch klare, vereinfachte Formen und leuchtende Farben aus, die eine emotionale Intensität vermitteln. Neben der Malerei beschäftigte sie sich mit Druckgrafik, Zeichnung und Fotografie. Ihr Haus in Murnau, das sie gemeinsam mit Wassily Kandinsky bewohnte, wurde zu einem bedeutenden Treffpunkt der Avantgarde. Ihre Kunst wurde lange unterschätzt, doch sie spielte eine maßgebliche Rolle in der Entwicklung der modernen Kunst in Deutschland.

Wichtige Werke und Ausstellungen

  1. Zuhören (1909) – Lenbachhaus, München
  2. Landschaft mit weißer Mauer (1910) – Museum Osthaus, Hagen
  3. Stillleben mit Orangen (1910) – Museum Walter, Augsburg
  4. Spreufuhren (1911) – Lenbachhaus, München
  5. Reiflandschaft (1911) – Von der Heydt-Museum, Wuppertal
  6. Kandinsky und Erma Bossi am Tisch (1912) – Lenbachhaus, München
  7. Drachenkampf (1913) – Musée National d’Art Moderne, Paris
  8. Schwarze Maske mit Rose (1915) – Hutton Galleries, New York
  9. Staffelsee im Herbst (1923) – National Museum of Women in the Arts, Washington, D.C.
  10. Frühstück der Vögel (1934) – National Museum of Women in the Arts, Washington, D.C.

Künstlerische Entwicklung

Frühe Karriere und Ausbildung

Gabriele Münter wuchs in einer wohlhabenden Familie auf, die in den USA Vermögen erworben hatte, jedoch aufgrund des Sezessionskriegs nach Deutschland zurückkehrte. Ihre Kindheit war von vielen Umzügen geprägt, unter anderem nach Herford und Koblenz. Als ihr Vater 1886 starb, blieb sie mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern zurück. Die Mutter reiste oft oder war krankheitsbedingt abwesend, weshalb Münter eine ungewöhnlich unabhängige Kindheit hatte. Diese frühe Selbstständigkeit prägte ihre direkte und unkonventionelle Art.

Schon in jungen Jahren zeigte sie ein ausgeprägtes künstlerisches Talent. In Düsseldorf nahm sie Privatunterricht bei Ernst Bosch und besuchte die Damenkunstschule von Willy Spatz. Da staatliche Akademien für Frauen nicht zugänglich waren, suchte sie alternative Ausbildungswege. Nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1897 unternahm sie mit ihrer Schwester eine zweijährige Reise durch die USA, wo sie ihre fotografischen Fähigkeiten entdeckte. Mit einer Kodak-Kamera dokumentierte sie die Reise und sammelte zahlreiche Skizzen. Die Erfahrung prägte ihr Gespür für Komposition und Licht, was später in ihren Gemälden deutlich wurde.

Wichtige Stationen und Werke

1901 zog sie nach München, wo sie an der Damenakademie des Künstlerinnen-Vereins studierte. Sie besuchte Kurse für Drucktechniken und nahm später Unterricht an der Malschule Phalanx, die von Wassily Kandinsky geleitet wurde. Dort begegnete sie dem Maler persönlich, der ihr Lehrer und später ihr Lebensgefährte wurde. Die beiden entwickelten eine enge künstlerische Verbindung und unternahmen ausgedehnte Reisen nach Tunesien, Italien, Frankreich und in die Niederlande. In Paris besuchte Münter die Académie de la Grande Chaumière und experimentierte mit Linol- und Holzschnitten. Sie verfeinerte ihre Technik und vertiefte ihre Kenntnisse der modernen Kunstströmungen.

Ein entscheidender Wendepunkt in ihrem künstlerischen Schaffen war der Aufenthalt in Murnau ab 1908. Gemeinsam mit Kandinsky sowie den Malern Marianne von Werefkin und Alexej von Jawlensky entdeckte sie dort eine neue Ausdrucksform. Die Landschaften und die Volkskunst inspirierten sie zu einer vereinfachten, farbintensiven Malweise. Sie lernte die Technik der Hinterglasmalerei kennen und integrierte volkskünstlerische Elemente in ihr Werk.

Der Blaue Reiter und die künstlerische Blütezeit

1911 wurde sie Mitbegründerin der Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“, die sich als Gegenbewegung zur „Neuen Künstlervereinigung München“ formierte. Münter beteiligte sich nicht nur künstlerisch, sondern auch organisatorisch, indem sie an der Redaktion des Almanachs Der Blaue Reiter mitwirkte. Sie war für die Auswahl und Bearbeitung der Druckvorlagen verantwortlich und stellte einige ihrer Werke für die Ausstellung bereit.

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, musste Kandinsky Deutschland verlassen, da er russischer Staatsbürger war. Münter blieb zunächst in der Schweiz, zog aber später nach Skandinavien. In Stockholm und Kopenhagen fand sie Anschluss an die Kunstszene, konnte jedoch nicht an ihre Erfolge in Deutschland anknüpfen. Ihre finanzielle Situation verschlechterte sich, da ihre Ersparnisse durch Inflation entwertet wurden. Sie begann, Auftragsarbeiten anzunehmen und stellte Druckgrafiken her, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Stilmerkmale

  • Farbgebung: Verwendung von leuchtenden, reinen Farben ohne starke Schattierungen.
  • Formen: Vereinfachte, klare Strukturen mit kräftigen Konturen.
  • Komposition: Flächige Darstellungen mit oft ungewöhnlichen Perspektiven.
  • Themen: Landschaften, Stillleben und Porträts, die eine emotionale Tiefe vermitteln.

Techniken und Materialien

Münter experimentierte mit verschiedenen Maltechniken. Neben der Ölmalerei widmete sie sich intensiv der Hinterglasmalerei, einer volkstümlichen Technik, die sie in Murnau erlernte. Sie setzte leuchtende Farben in flächiger Manier ein und ließ sich von Volkskunst inspirieren. Auch die Druckgrafik, insbesondere der Linolschnitt, spielte eine wichtige Rolle in ihrem Werk.

Münters Einfluss und Vermächtnis

Gabriele Münter war eine Schlüsselfigur des Expressionismus und beeinflusste zahlreiche Künstler. Ihr Werk inspirierte unter anderem Paul Klee, August Macke und Franz Marc, die sich ebenfalls mit Farb- und Formvereinfachung beschäftigten. Sie war zudem eine Wegbereiterin für Künstlerinnen wie Käthe Kollwitz und später Helene Funke, die sich in einer männlich dominierten Kunstwelt behaupten mussten.

Während des Zweiten Weltkriegs versteckte sie in ihrem Haus eine bedeutende Sammlung expressionistischer Werke, darunter Gemälde von Kandinsky, Marc und Klee. Nach Kriegsende wurde sie wiederentdeckt und erhielt zahlreiche Ausstellungen. 1957 schenkte sie der Stadt München einen Großteil ihres Nachlasses, darunter wertvolle Werke des Blauen Reiters. Heute sind ihre Arbeiten in Museen auf der ganzen Welt zu finden.

Gabriele Münter: Die wichtigsten Fakten

  • Geboren am 19. Februar 1877 in Berlin.
  • Studierte an der Damenakademie in München.
  • Wichtige Wegbereiterin des deutschen Expressionismus.
  • Mitbegründerin von Der Blaue Reiter.
  • Enge Zusammenarbeit mit Wassily Kandinsky.
  • Pionierin der Hinterglasmalerei in der modernen Kunst.
  • Versteckte während des Nationalsozialismus zahlreiche bedeutende Kunstwerke.
  • Verstarb am 19. Mai 1962 in Murnau am Staffelsee im Alter von 85 Jahren.

Gabriele Münter war mehr als nur eine Weggefährtin Kandinskys – sie war eine eigenständige, mutige Künstlerin, die mit klarer Bildsprache und leuchtenden Farben neue Maßstäbe setzte. Ihr Werk vereint emotionale Tiefe mit formaler Reduktion und bildet ein wichtiges Bindeglied zwischen Volkskunst, Impressionismus und Expressionismus. In einer Zeit, in der Frauen in der Kunst oft übersehen wurden, fand sie ihren eigenen Weg – unbeirrbar und mit einem offenen Blick für die Welt um sie herum. Gabriele Münter starb am 19. Mai 1962 in Murnau am Staffelsee im Alter von 85 Jahren.

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