Emil Nolde
Emil Nolde war ein einflussreicher Vertreter des Expressionismus und ein Meister der Aquarellmalerei. Seine Werke zeichnen sich durch eine ausdrucksstarke Farbgebung und eine emotionale Tiefe aus. Geboren wurde er 1867 als Hans Emil Hansen in Nolde, einer kleinen Ortschaft in Schleswig-Holstein. Im Laufe seiner Karriere beschäftigte er sich intensiv mit religiösen und mythologischen Themen, aber auch mit Landschafts- und Blumenmotiven. Seine frühen Arbeiten, darunter Landschaftsaquarelle und Zeichnungen der Schweizer Berge, druckte er als Postkarten und verkaufte sie erfolgreich, was ihm ein unabhängiges Leben als Künstler ermöglichte. Trotz seines künstlerischen Erfolgs blieb seine Biografie von seiner politischen Haltung während der NS-Zeit geprägt. Er trat früh der NSDAP-Nordschleswig bei und setzte sich aktiv für die Idee einer „germanischen Kunst“ ein, wurde jedoch später als „entarteter Künstler“ verfemt.
Wichtige Werke und Ausstellungen
- Die Ernte, Pontoise (La Récolte à Pontoise, 1877) – Metropolitan Museum of Art, New York
- Das Leben Christi (1911/12) – Nolde Museum, Seebüll
- Abendmahl (1909) – Hamburger Kunsthalle
- Maskenstilleben III (1911) – Nationalgalerie, Berlin
- Meer mit roten Wolken (1930) – Nolde Stiftung, Seebüll
- Blumengarten (Utenwarf) (1908) – Städel Museum, Frankfurt
- Süden (Tropische Landschaft) (1914) – Kunstmuseum Basel
- Pfingsten (1909) – Hamburger Kunsthalle
- Herbstmeer XIV (1910) – Nolde Museum, Seebüll
Die klugen und die törichten Jungfrauen (1910) – Privatsammlung
Künstlerische Entwicklung
Frühe Karriere und Ausbildung
Emil Nolde begann seine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in Flensburg, wo er sich als Schnitzer und Zeichner betätigte. Später zog er nach München und Paris, um seine künstlerischen Fähigkeiten zu erweitern. Besonders an der Académie Julian prägte ihn der französische Impressionismus, von dem er sich jedoch bald abwandte, um eine eigene Bildsprache zu entwickeln. Noch bevor er sich vollständig der Malerei widmete, arbeitete er als Lehrer für gewerbliches und ornamentales Entwurfszeichnen am Gewerbemuseum in St. Gallen. Seine Entwürfe fanden dort großen Anklang, doch die Anstellung endete abrupt im Jahr 1898. In dieser Zeit begann er, Bergbauern und ländliche Szenen in Aquarellen und Zeichnungen festzuhalten, wodurch er erste Bekanntheit erlangte. Seine Entscheidung, die Kunst zum Lebensmittelpunkt zu machen, fiel in dieser Phase seines Lebens.
Wichtige Stationen und Werke
Nach seiner Rückkehr aus Paris trat Nolde 1906 der expressionistischen Künstlergruppe „Brücke“ bei, der unter anderem Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff angehörten. Der Austausch mit diesen Künstlern beflügelte ihn, doch bereits 1907 kam es zu Konflikten, insbesondere mit Schmidt-Rottluff. Nolde kritisierte die Strukturen der Gruppe und trennte sich bald wieder, doch sein Beitrag war entscheidend: Er führte die Technik der Radierung in die Gruppe ein und vermittelte Kontakte zu wichtigen Förderern wie Gustav Schiefler. Trotz seines kurzen Engagements nahm er an zahlreichen Ausstellungen teil. 1909 schloss er sich der Berliner Secession an, einer Künstlervereinigung, die sich von akademischen Traditionen abwandte. Als dort expressionistische Werke abgelehnt wurden, beteiligte er sich 1910 an der Gründung der Neuen Secession.
Ein prägendes Ereignis war seine Teilnahme an der Deutsch-Neuguinea-Expedition 1913/14, die ihn mit exotischen Motiven in Kontakt brachte. Seine Skizzen von Masken und Statuetten inspirierten später zahlreiche Werke mit ethnografischen Einflüssen. Zudem besuchte er regelmäßig das Berliner Museum für Völkerkunde, wo er über 120 Zeichnungen von afrikanischen und ozeanischen Objekten anfertigte.
Nolde im Nationalsozialismus
Nolde war früh überzeugt, dass die „germanische Kunst“ allen anderen überlegen sei. 1933 begrüßte er die Machtergreifung der Nationalsozialisten und suchte aktiv um Anerkennung. Er versuchte, sich durch Schriften und Briefe an das NS-Regime als wichtiger Künstler der Bewegung zu positionieren. Joseph Goebbels zeigte anfänglich Interesse an seinen Werken, doch 1937 wurde Nolde überraschend in die Ausstellung „Entartete Kunst“ aufgenommen. Die Nationalsozialisten beschlagnahmten über 1.000 seiner Werke, was ihn jedoch finanziell nicht ruinierte, da er weiterhin privat sammelte und verkaufte. Erst 1941 erhielt er ein Berufsverbot, das ihn zwang, im Verborgenen zu arbeiten. Die als „Ungemalte Bilder“ bekannt gewordenen Werke entstanden in dieser Phase. Nach dem Krieg stilisierte er sich als Opfer des Regimes und ließ antisemitische Passagen aus seinen Autobiografien entfernen, um seine politische Vergangenheit zu verschleiern.
Stilmerkmale
- Farben: Intensive, leuchtende Töne, oft in Kontrast gesetzt
- Themen: Religiöse Szenen, Naturdarstellungen, Masken und Figuren
- Technik: Breiter Pinselduktus, expressive Linienführung
- Licht und Schatten: Starke Hell-Dunkel-Kontraste zur Verstärkung der Dramatik
Techniken und Materialien
Nolde bevorzugte Aquarelle, arbeitete aber auch mit Ölfarben. Seine Werke zeichnen sich durch eine dicke Farbauftragung und intensive Lasuren aus. Besonders bekannt wurde er für seine Landschaftsaquarelle und Zeichnungen, die eine einzigartige Atmosphäre einfangen. Während eines Forschungsprojekts zur Analyse seiner Maltechnik wurde festgestellt, dass er häufig farbige Grundierungen verwendete und bevorzugt mit Ölfarben der Firma Behrendt arbeitete. Zudem lehnte er den Einsatz von Firnissen ab, da er die Reinheit der Farben bewahren wollte.
Noldes Einfluss und Vermächtnis
Er inspirierte zahlreiche expressionistische Maler, darunter Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein und Karl Schmidt-Rottluff. Auch spätere Künstler wie Georg Baselitz und Markus Lüpertz ließen sich von seinen Werken beeinflussen. Seine Fähigkeit, Farben in einer fast musikalischen Harmonie einzusetzen, diente auch Künstlern der Farbfeldmalerei als Inspiration. Trotz seiner problematischen politischen Haltung bleibt sein künstlerisches Werk ein wichtiger Bestandteil der Kunstgeschichte.
Emil Nolde: Die wichtigsten Fakten
- Geboren 1867 als Hans Emil Hansen in Nolde, Schleswig-Holstein
- Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in Flensburg
- Mitglied der „Brücke“ und der Berliner Secession
- Bedeutender Expressionist mit Fokus auf Farbe und Emotion
- Schuf das neunteilige Altarwerk „Das Leben Christi“
- Wurde 1937 als „entarteter Künstler“ verfemt
- Entwickelte die Serie der „Ungemalten Bilder“ im Verborgenen
- Starb 1956 in Seebüll im Alter von 88 Jahren
Emil Nolde war ein Künstler, der die Farbe als unmittelbaren Ausdruck innerer Zustände verstand. Seine Bilder wirken nicht komponiert, sondern wie aus dem Moment geboren – roh, leuchtend, intuitiv. In Landschaften, Blumen und religiösen Szenen suchte er nach dem Ursprünglichen, nach einer Verbindung zwischen Natur, Mythos und Mensch. Doch seine Biografie bleibt ambivalent: Ein künstlerischer Grenzgänger mit politischer Nähe zum Nationalsozialismus, der schließlich selbst zum Opfer des Regimes wurde. Sein Werk fordert bis heute zur Auseinandersetzung auf – mit der Kraft der Malerei ebenso wie mit der Verantwortung des Künstlers. Emil Nolde starb am 13. April 1956 in Seebüll im Alter von 88 Jahren.