Hannes Meyer
Hannes Meyer (Hans Emil Meyer) wurde am 18. November 1889 in Basel geboren und war ein Schweizer Architekt und Urbanist, der als bedeutender Vertreter des Neuen Bauens gilt. Er prägte das Bauhaus in Dessau maßgeblich und setzte sich für eine funktionale, am sozialen Bedarf orientierte Architektur ein. Seine Philosophie „Volksbedarf statt Luxusbedarf“ spiegelte sich in seinen Werken wider, die durch klare Linien und Zweckmäßigkeit bestechen. Sein Verständnis von Architektur ging über die bloße Gestaltung hinaus und betrachtete das Bauen als einen „elementaren Prozess“, der biologische, geistige und soziale Bedürfnisse gleichermaßen einbeziehen sollte.
Wichtige Werke und Ausstellungen
- Genossenschaftssiedlung Freidorf (1919–1921) – Muttenz bei Basel, Schweiz
- Urnenfriedhof mit Columbarium (1923) – Zentralfriedhof Basel, Schweiz
- Wettbewerbsentwurf Petersschule (1926) – Basel, Schweiz (nicht realisiert)
- Wettbewerbsentwurf Völkerbundpalast (1926/1927) – Genf, Schweiz (nicht realisiert)
- Bundesschule des ADGB (1928–1930) – Bernau bei Berlin, Deutschland
- Laubenganghäuser (1929–1930) – Dessau-Törten, Deutschland
- Haus Nolden (1928) – Eifel, Deutschland
- Genossenschaftliches Kinderferienheim (1937) – Mümliswil, Schweiz
- Arbeiterwohnheime (1932–1933) – Birobidschan, Sowjetunion
- Planungen für Mexiko-Stadt (1939–1941) – Mexiko
Künstlerische Entwicklung
Frühe Karriere und Ausbildung
Hannes Meyer entstammte einer Basler Bauunternehmerfamilie. Nach dem frühen Tod seines Vaters konnte seine Mutter die Familie finanziell nicht alleine versorgen, weshalb er Teile seiner Kindheit im Bürgerlichen Waisenhaus Basel verbrachte. Diese Erfahrung prägte ihn stark und führte später zu seiner Überzeugung, dass Architektur in erster Linie sozialen Zwecken dienen sollte. Er absolvierte eine Lehre als Maurer und Steinmetz sowie eine Ausbildung zum Bauzeichner und Bauführer in Basel. Anschließend besuchte er Kurse an der Gewerbeschule. Ab 1909 arbeitete er in Berlin in den Architekturbüros von Albert Froelich und Johann Emil Schaudt und besuchte Abendkurse an der Kunstgewerbeschule. Studienreisen führten ihn 1912/1913 in die Niederlande und nach England, wo er sich intensiv mit modernen Architekturströmungen und städtebaulichen Konzepten auseinandersetzte.
Wichtige Stationen und Werke
Frühe Projekte und der Weg zur sozialen Architektur
1916 trat Hannes Meyer in die Bauverwaltung von Friedrich Krupp in Essen ein, wo er als Siedlungsplaner erste praktische Erfahrungen sammelte. Drei Jahre später gründete er in Basel ein eigenes Architekturbüro. Mit der Genossenschaftssiedlung Freidorf in Muttenz realisierte er ein Modellprojekt für gemeinschaftliches Wohnen, das bis heute als Meilenstein des sozialen Wohnungsbaus gilt.
Bauhaus Dessau: Reform und soziale Ausrichtung
1927 wurde Meyer von Walter Gropius ans Bauhaus berufen, um die neue Bauabteilung zu leiten. Am 1. April 1928 übernahm er die Direktion der Schule. Er reformierte die Lehre grundlegend, trennte Kunst und Wissenschaft und ergänzte den Lehrplan um technische, natur- und geisteswissenschaftliche Fächer. Seine Devise „Volksbedarf statt Luxusbedarf“ prägte die Ausrichtung des Bauhauses auf funktionale, soziale Gestaltung.
Architektur für die Gesellschaft: Bernau und Dessau
Während seiner Amtszeit entstanden zentrale Bauhaus-Projekte wie die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) in Bernau und die Laubenganghäuser in Dessau-Törten. Beide Bauten zeigen Meyers Anspruch, Architektur als Beitrag zur sozialen Daseinsvorsorge zu begreifen. 1930 wurde er aufgrund politischer Spannungen entlassen und ging in die Sowjetunion.
Internationale Arbeit und Rückkehr in die Schweiz
In der UdSSR arbeitete Meyer als Berater für städtebauliche Projekte und war an der Planung neuer, effizienter Wohnsiedlungen mit sozialem Fokus beteiligt. 1939 emigrierte er nach Mexiko-Stadt, wo er das Instituto del Urbanismo y Planificación leitete und seine Konzepte für soziale Stadtentwicklung weiterentwickelte. 1949 kehrte er in die Schweiz zurück und starb 1954 in Crossifisso di Savosa.
Stilmerkmale
- Funktionalität: Meyers Bauten zeichnen sich durch eine klare, zweckmäßige Gestaltung aus, die den Bedürfnissen der Nutzer entspricht.
- Soziale Orientierung: Er legte Wert auf kostengünstigen Wohnraum und gemeinschaftliche Einrichtungen, um soziale Gleichheit zu fördern.
- Kollektive Gestaltung: Meyer betonte die Bedeutung der Teamarbeit und integrierte kollektive Prozesse in den Entwurfs- und Bauprozess. Diese Praxis zeigte sich besonders in seinen Projekten in der Sowjetunion, wo er mit Planungsbrigaden arbeitete und ein Konzept der kollektiven Verantwortung entwickelte.
Techniken und Materialien
Hannes Meyer setzte auf den Einsatz moderner Baumaterialien wie Stahl und Glas, um funktionale und kosteneffiziente Strukturen zu schaffen. Er nutzte standardisierte Bauelemente und industrielle Fertigungsmethoden, um den Bauprozess zu rationalisieren und die Wirtschaftlichkeit zu steigern. Dabei legte er Wert auf eine wissenschaftliche Herangehensweise, indem er den Bedarf der Nutzer analysierte und die Gebäude entsprechend konzipierte. Seine Entwürfe basierten auf detaillierten Studien des täglichen Lebens und zielten darauf ab, den Wohnkomfort zu maximieren, ohne überflüssigen Luxus zu integrieren. In Mexiko erprobte er zudem innovative Materialien, die an das dortige Klima angepasst waren, und legte besonderen Wert auf kostengünstige Bauweisen für Arbeiterwohnungen.
Meyers Einfluss und Vermächtnis
Die Devise „Volksbedarf statt Luxusbedarf“ wurde zum Leitmotiv seiner Arbeit und prägte nicht nur das Bauhaus unter seiner Leitung, sondern beeinflusste auch international die Debatte um soziale Architektur. Besonders die Projekte in Bernau und Dessau wurden zu Vorbildern für generationsübergreifende Stadtplanung. Sein Denken und Wirken hinterließen Spuren bei Architekten wie Ernst May, Bruno Taut oder Konrad Wachsmann. Auch später wirkten seine Ideen in den Arbeiten von Architekten in der DDR und der sowjetischen Moderne nach. Als Lehrer und Theoretiker formte er mit seinen Konzepten zur kollektiven Planung und Nutzerorientierung eine neue Sicht auf das Bauen als gesellschaftliche Aufgabe.
Hannes Meyer: Die wichtigsten Fakten
- Geboren am 18. November 1889 in Basel, Schweiz
- Ausbildung als Maurer, Steinmetz, Bauzeichner und Bauführer
- 1927 zum Leiter der Bauabteilung am Bauhaus Dessau berufen, ab 1928 Direktor
- Förderung des Konzepts „Volksbedarf statt Luxusbedarf“ und sozial orientierter Architektur
- Planung und Bau bedeutender Siedlungsprojekte in der Schweiz, Deutschland, der Sowjetunion und Mexiko
- 1930 aus politischen Gründen vom Bauhaus entlassen, anschließend Emigration in die Sowjetunion
- 1939 Wechsel nach Mexiko, Leitung des Instituto del Urbanismo y Planificación
- Einfluss auf den sozialen Wohnungsbau und Stadtentwicklung weltweit
- Rückkehr in die Schweiz 1949, dort weiterhin publizistische und architekturtheoretische Arbeiten
Hannes Meyers Verständnis von Architektur ging weit über das Entwerfen von Gebäuden hinaus – für ihn war sie ein soziales Werkzeug, das das Leben der Menschen konkret verbessern sollte. Seine konsequente Haltung, Gestaltung in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen, machte ihn zu einem der kompromisslosesten Vertreter des Neuen Bauens. In seinen Bauten, Texten und Lehrmethoden schuf er ein Fundament, auf dem spätere Generationen weiterdenken konnten. Hannes Meyer starb am 19. Juli 1954 in Crossifisso di Savosa im Tessin, im Alter von 64 Jahren.