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Kurt Schwitters

Kurt Schwitters wurde am 20. Juni 1887 in Hannover geboren und entwickelte mit seiner „Merzkunst“ eine der einflussreichsten künstlerischen Strömungen des 20. Jahrhunderts. Sein Werk umfasste Collagen, Assemblagen, Lautgedichte und Installationen, mit denen er die Grenzen der Kunst erweiterte. Er schöpfte aus Alltagsgegenständen, die er in seine Werke einbaute, und stellte herkömmliche Vorstellungen von Kunst radikal infrage. Besonders sein „Merzbau“ gilt als Vorläufer der modernen Installationskunst. Schwitters war zwar von Dada beeinflusst, wurde aber von der Berliner Dada-Szene nicht aufgenommen und entwickelte daraufhin seinen eigenen Stil.

Wichtige Werke und Ausstellungen

  1. Das Undbild (1919) – Staatsgalerie Stuttgart
  2. Merzbild 9b, Das große Ichbild (1919) – Museum Ludwig, Köln
  3. Konstruktion für edle Frauen (1919) – Los Angeles County Museum of Art
  4. Merzbild 32a, Das Kirschbild (1921) – Museum of Modern Art, New York
  5. Merzbild P (1930) – Sprengel Museum Hannover
  6. Maraak, Variation I (1930) – Guggenheim Collection, Venedig
  7. Merzbau (1923–1937) – Ursprünglich in Hannover, im Zweiten Weltkrieg zerstört
  8. An Anna Blume (1919) – Gedicht, veröffentlicht im Verlag „Der Sturm“, Berlin
  9. Ursonate (1922–1932) – Klanggedicht, erstmals 1932 vollständig veröffentlicht
  10. Aerated IX (1942) – Stiftung Insel Hombroich

Künstlerische Entwicklung

Frühe Karriere und Ausbildung

Nach seinem Abitur besuchte Schwitters zunächst die Kunstgewerbeschule Hannover, bevor er 1909 an die Königliche Sächsische Akademie der Künste in Dresden wechselte. Dort studierte er unter Carl Bantzer und Gotthardt Kuehl Malerei und erhielt eine klassische Ausbildung, die ihn zunächst in die Richtung des Impressionismus führte. Während dieser Zeit blieb er weitgehend unbeeinflusst von den avantgardistischen Strömungen, die sich in Dresden formierten. Erst mit dem Ersten Weltkrieg begann sich sein Stil zu verändern.

Die Erfahrung, als technischer Zeichner in einem Eisenwerk zu arbeiten, während der Krieg tobte, prägte sein künstlerisches Schaffen nachhaltig. Die industriellen Formen und Maschinenwelt beeinflussten seine spätere Bildsprache. Nach Kriegsende wandte er sich von der akademischen Malerei ab und entwickelte seine eigene Form der Abstraktion.

Wichtige Stationen und Werke

Die Entstehung von „Merz“: Collagen als neues Ausdrucksmittel

1918 begann Kurt Schwitters mit der Herstellung seiner ersten Collagen, die er „Merzbilder“ nannte. Der Begriff „Merz“ entstand zufällig, als er ein Stück Papier mit der Aufschrift „Kommerz- und Privatbank“ in eine seiner Arbeiten integrierte. Von diesem Moment an diente „Merz“ als Oberbegriff für sein gesamtes künstlerisches Schaffen, das sich keiner traditionellen Gattung mehr zuordnen ließ.

Erfolg und Ablehnung: Schwitters und die Dada-Bewegung

Mit seinem Gedicht An Anna Blume gelang Schwitters 1919 ein überraschender Erfolg. Trotz stilistischer Nähe zu Dada distanzierten sich die Berliner Dadaisten, insbesondere Richard Huelsenbeck, von ihm. Sie warfen Schwitters vor, sein Werk sei zu ästhetisch und nicht radikal genug, um Teil der Dada-Bewegung zu sein.

Zusammenarbeit und der Aufbau des Merzbau in Hannover

Trotz der Ablehnung durch Berlin fand Schwitters in Künstlern wie Hans Arp und Raoul Hausmann wichtige Weggefährten. Gemeinsam entwickelten sie neue Ausdrucksformen, die Elemente aus Kubismus, Expressionismus und Konstruktivismus verbanden. In Hannover begann Schwitters mit dem Bau seines Merzbau – einer wachsenden, begehbaren Raumskulptur, die schließlich fast sein gesamtes Wohnhaus durchdrang, bevor sie 1943 durch Bombenangriffe zerstört wurde.

Flucht, Exil und die letzten Jahre in England

1937 wurde Schwitters von den Nationalsozialisten als „entarteter Künstler“ diffamiert. Er floh zunächst nach Norwegen, wo er seine Arbeit an Merzbauten fortsetzte. Nach der Besetzung Norwegens durch deutsche Truppen 1940 floh er weiter nach England. Die Internierung auf der Isle of Man und seine spätere Zeit in London waren von finanziellen Schwierigkeiten geprägt, doch Schwitters blieb künstlerisch aktiv. Auch in dieser schwierigen Phase kombinierte er Naturmaterialien und industrielle Fundstücke zu neuen Collagen und Assemblagen.

Stilmerkmale

  • Integration von Alltagsobjekten – Fundstücke wie Fahrkarten, Verpackungen und Zeitungsartikel wurden in seine Kunst integriert.
  • Abstrakte Kompositionen – Schwitters arbeitete mit geometrischen und organischen Formen, die er in seinen Werken harmonisch kombinierte.
  • Typografische Experimente – Die Einbindung von Buchstaben und Textfragmenten als visuelle Elemente war ein wiederkehrendes Motiv.
  • Klangkunst – Mit der „Ursonate“ schuf er eines der ersten Lautgedichte, das Sprache auf rhythmische und klangliche Strukturen reduzierte.
  • Rauminstallationen – Seine Merzbauten waren mehrdimensionale Kunstwerke, die Architektur, Skulptur und Collage vereinten.

Techniken und Materialien

Schwitters nutzte eine Vielzahl von Materialien, darunter Holz, Papier, Metall und Stoffreste. Seine Assemblagen verbanden malerische und skulpturale Elemente mit Fundstücken des Alltags. Besonders in England, wo Materialmangel herrschte, griff er auf ungewöhnliche Mittel zurück, wie das Modellieren mit Porridge, das später zu verrotten begann.

Schwitters' Einfluss und Vermächtnis

Schwitters‘ Werke waren bahnbrechend für viele spätere Kunstströmungen. Seine Collage-Technik hatte großen Einfluss auf Künstler wie Robert Rauschenberg, der ähnliche Mixed-Media-Ansätze verwendete. Auch die Pop-Art, insbesondere Künstler wie Richard Hamilton und Eduardo Paolozzi, übernahmen seine Technik der Materialintegration. Seine Assemblagen inspirierten die Fluxus-Bewegung, zu deren Vertretern Joseph Beuys zählt. Künstler wie Damien Hirst und Anne Ryan griffen in ihren Arbeiten auf Methoden zurück, die Schwitters etabliert hatte.

Kurt Schwitters: Die wichtigsten Fakten

  • Geboren am 20. Juni 1887 in Hannover
  • Entwickelte die „Merzkunst“ und schuf den Begriff „Merz“
  • War mit Künstlern wie Hans Arp und Raoul Hausmann verbunden
  • Schuf den „Merzbau“, eine begehbare Rauminstallation
  • Verfasste das berühmte Gedicht „An Anna Blume“
  • Entwickelte die „Ursonate“, ein revolutionäres Lautgedicht
  • Flucht vor den Nationalsozialisten nach Norwegen und später nach England
  • Arbeitete in seinen Exiljahren weiter an Collagen und Installationen

Kurt Schwitters verstand Kunst als offenen Prozess, der die starren Grenzen zwischen Leben und Gestaltung auflöste. Er sah in den Bruchstücken der modernen Welt nicht nur das Ende, sondern auch die Möglichkeit eines neuen Anfangs. In seiner Arbeit verband er Chaos und Ordnung, Verfall und Schönheit zu einem eigenen Kosmos, der weder festen Regeln noch tradierten Kategorien unterlag. Seine Kunst blieb eine beständige Suche nach einer Sprache jenseits der Konvention. Am 8. Januar 1948 starb er im Alter von 60 Jahren im englischen Ambleside.

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