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Gunta Stölzl

Gunta Stölzl, geboren am 5. März 1897 in München, war eine wegweisende Textilkünstlerin und die erste weibliche Meisterin am Bauhaus. Ihre innovativen Entwürfe und ihre Leitung der Webereiwerkstatt prägten die moderne Textilkunst maßgeblich. Neben ihrer Zeit am Bauhaus spielte auch ihre spätere Karriere in Zürich eine zentrale Rolle, wo sie das moderne Textildesign in der Schweiz beeinflusste. Besonders in Dessau, wohin das Bauhaus 1925 umzog, gewann sie an Bedeutung, als sie dort die Leitung der Weberei übernahm und neue Maßstäbe in der textilen Gestaltung setzte. Sie reformierte die Werkstatt grundlegend und führte industrielle Fertigungsmethoden ein, um sie wirtschaftlich rentabel zu machen.

Wichtige Werke und Ausstellungen

  1. Schlitzgobelin Rot-Grün (1927–1928) – Bauhaus-Archiv, Berlin
  2. Afrikanischer Stuhl (1921, in Zusammenarbeit mit Marcel Breuer) – Bauhaus-Museum, Weimar
  3. Wandbehang (1926) – Museum of Modern Art, New York
  4. Teppich für Haus am Horn (1923) – Klassik Stiftung, Weimar
  5. Vorhangstoffe für das Bauhaus Dessau (1928) – Bauhaus Dessau Stiftung
  6. Polsterstoffe für die Meisterhäuser (1926) – Bauhaus Dessau Stiftung
  7. Textilentwürfe für die Firma Polytex (1930) – Archiv der Berliner Polytex AG
  8. Wandteppich (1929) – Victoria and Albert Museum, London
  9. Prellerdecken für das Prellerhaus (1931) – Bauhaus Dessau Stiftung (Reproduktionen erhalten)
  10. Bauhaus Textilien (1920er Jahre) – Busch-Reisinger Museum, Cambridge, Massachusetts

Künstlerische Entwicklung

Frühe Karriere und Ausbildung

Nach ihrem Abitur 1913 begann Gunta Stölzl ein Studium an der Kunstgewerbeschule in München, wo sie sich intensiv mit Textilkunst und Design auseinandersetzte. Ihr Vater, Schulrektor und enger Freund des Reformpädagogen Georg Kerschensteiner, förderte ihre Ausbildung früh. Bereits ihr Urgroßvater war Webermeister, was möglicherweise ihr Interesse an der Webkunst beeinflusste. Während des Ersten Weltkriegs engagierte sie sich als Rotkreuzschwester, was ihre Perspektive auf Kunst und Gesellschaft nachhaltig prägte. 1919 trat sie dem Bauhaus in Weimar bei und vertiefte dort ihre Kenntnisse in der Weberei, die sie später mit wegweisenden Innovationen bereichern sollte.

Wichtige Stationen und Werke

Studienreisen und frühe Einflüsse auf Stölzls Gestaltung

In den frühen 1920er Jahren reiste Gunta Stölzl nach Italien, wo sie sich intensiv mit Kunst und Architektur auseinandersetzte. Diese Eindrücke erweiterten ihre gestalterische Perspektive und beeinflussten ihren Umgang mit Form, Farbe und Struktur – insbesondere im Hinblick auf räumliche und architektonische Anwendungen von Textilien.

Leitung der Webereiwerkstatt am Bauhaus Dessau

1925 übernahm Stölzl mit dem Umzug des Bauhauses nach Dessau die Leitung der Webereiwerkstatt. Unter ihrer Führung wurde diese Abteilung zu einem experimentellen Zentrum für moderne Textilgestaltung. Sie arbeitete mit Wolle, Seide und synthetischen Fasern, entwickelte Möbelbespannungen in Kooperation mit der Tischlerei und verband künstlerischen Ausdruck mit industrieller Fertigung.

Engagement für Frauen in Gestaltung und Lehre

Als eine der wenigen weiblichen Meisterinnen am Bauhaus setzte sich Stölzl für die Anerkennung von Frauen in der Designausbildung ein. Die Weberei galt zunächst als „Frauenklasse“, doch unter ihrer Leitung gewann sie an gestalterischer und handwerklicher Bedeutung. Ihre Schülerin Anni Albers erinnerte sich an den prägenden Einfluss ihrer strukturierten, praxisnahen Lehre – gerade in einer Anfangszeit ohne klaren Unterrichtsrahmen.

Eigenes Atelier in Zürich und Innovation in der Textilkunst

Nach dem Ende ihrer Bauhaus-Zeit gründete Stölzl 1931 in Zürich das Säntis Webatelier. Dort entwickelte sie neue Stoffe für die Serienproduktion und arbeitete eng mit Schweizer Textilunternehmen zusammen. In den 1950er Jahren spezialisierte sie sich auf Gobelins mit unkonventionellen Materialien wie Glasperlen und Steinen. Diese Arbeiten verknüpften handwerkliche Präzision mit experimenteller Offenheit und sicherten ihr eine herausragende Position in der modernen Textilkunst.

Stilmerkmale

  • Abstrakte Kompositionen: Verwendung geometrischer Formen und Linien.
  • Farbintensität: Einsatz kräftiger und kontrastreicher Farben.
  • Materialvielfalt: Integration unterschiedlicher Textilien und Garne.
  • Funktionalität: Designs mit praktischem Nutzen und ästhetischem Anspruch.
  • Experimentierfreude: Ständige Erforschung neuer Techniken und Materialien.

Techniken und Materialien

Gunta Stölzl nutzte traditionelle Webtechniken und kombinierte sie mit innovativen Methoden. Sie experimentierte mit verschiedenen Materialien wie Wolle, Baumwolle und synthetischen Fasern, um neuartige Texturen und Effekte zu erzielen. Besonders bekannt wurde sie für ihre Gobelins, bei denen sie mit Farbfeldern und Strukturen arbeitete, um eine dreidimensionale Wirkung zu erzielen. Ihre Arbeiten zeichnen sich durch präzise Handwerkskunst und ein tiefes Verständnis für die Eigenschaften der verwendeten Materialien aus. Dabei ließ sie sich auch von Künstlern wie Paul Klee inspirieren, dessen Farbtheorie und abstrahierte Formen in ihren Textilentwürfen spürbar sind. Auch Wassily Kandinsky beeinflusste ihre Arbeit, insbesondere durch seine Theorie der Farben und deren emotionale Wirkung.

Stölzls Einfluss und Vermächtnis

Ihre Arbeit beeinflusste zahlreiche Künstlerinnen wie Anni Albers, die ihre experimentelle Herangehensweise in eigenen Werken fortführte. Stölzls Fähigkeit, traditionelle Techniken mit modernen Designs zu verbinden, setzte neue Maßstäbe in der Textilkunst. Ihr Vermächtnis lebt in den Arbeiten vieler zeitgenössischer Textilkünstlerinnen weiter, da ihre Konzepte zur Verschmelzung von Kunsthandwerk und industrieller Produktion weiterhin in der Textilbranche Anwendung finden. Ihre Arbeiten sind heute in bedeutenden Sammlungen vertreten, darunter das Museum of Modern Art New York, das Victoria and Albert Museum London und die Stiftung Bauhaus Dessau. In mehreren Städten, darunter München, Weimar und Bremen, wurden Straßen nach ihr benannt. Ein Sonderheft der Bauhaus-Zeitschrift ehrte sie mit den Worten: „Dass man von ‚Bauhausstoffen‘ spricht, ist ihr Verdienst.“

Gunta Stölzl: Die wichtigsten Fakten

  • Geboren 1897 in München.
  • Erste weibliche Meisterin am Bauhaus.
  • Leitete die Webereiwerkstatt in Dessau.
  • Pionierin der modernen Textilkunst.
  • Einflussreiche Lehrerin und Mentorin für nachfolgende Künstlergenerationen.
  • Gründete 1931 in Zürich das „Säntis Webatelier“.
  • Wegweisend in der Verbindung von Kunsthandwerk und industrieller Produktion.
  • Innovatorin in der Kombination von traditionellen Materialien und synthetischen Fasern.

Gunta Stölzls Beitrag zur modernen Textilkunst reicht weit über das Bauhaus hinaus. Sie veränderte das Bild der Weberei – von einer dekorativen Technik hin zu einer eigenständigen, experimentellen Kunstform. Mit ihrem gestalterischen Mut, ihrer technischen Raffinesse und dem Gespür für Farbe und Struktur setzte sie Maßstäbe, die bis heute in der Textilgestaltung spürbar sind. Als Bauhaus-Meisterin und Unternehmerin schuf sie Raum für kreative Selbstständigkeit – insbesondere für Frauen in der Kunst. Gunta Stölzl starb am 22. April 1983 in Zürich im Alter von 86 Jahren.

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