Albert Gleizes
Albert Gleizes, geboren am 8. Dezember 1881 in Paris, war ein französischer Maler, Theoretiker und einer der Mitbegründer des Kubismus. Gemeinsam mit Jean Metzinger verfasste er 1912 die Abhandlung Du „Cubisme“, die als erstes theoretisches Werk dieser Kunstrichtung gilt. Seine Werke zeichneten sich durch klare geometrische Formen, rhythmische Kompositionen und die Darstellung multipler Perspektiven aus. Im Gegensatz zu Picasso und Braque, die den analytischen Kubismus prägten, konzentrierte er sich auf eine strukturelle und konzeptionelle Weiterentwicklung der Bewegung. Über seine künstlerische Praxis hinaus war er auch ein engagierter Theoretiker, dessen Ideen später am Bauhaus große Beachtung fanden. In den letzten Jahren seines Lebens wandte er sich zunehmend religiösen Motiven zu und suchte eine Synthese aus Kunst, Philosophie und Spiritualität.
Wichtige Werke und Ausstellungen
- Porträt von Jacques Nayral (Portrait de Jacques Nayral, 1911) – Tate Modern, London
- Fußballspieler (Les Joueurs de football, 1912–13) – National Gallery of Art, Washington, D.C.
- Kubistische Landschaft (Paysage cubiste, 1914) – Sprengel Museum, Hannover
- Auf einem Segelboot (Sur un bateau à voile, 1916) – New Orleans Museum of Art, New Orleans
- Frau mit schwarzem Handschuh (Femme au gant noir, 1920) – Privatbesitz
- Die Ernte (La Récolte, 1912) – National Museum of Western Art, Tokio
- Die Badenden (Les Baigneuses, 1912) – Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, Paris
- Die Brücken von Paris (Les Ponts de Paris, 1912) – Solomon R. Guggenheim Museum, New York
- Porträt von Igor Strawinsky (Portrait d’Igor Stravinsky, 1914) – Musée National d’Art Moderne, Paris
- Arabeske oder Kubistische Komposition (Arabesque ou Composition cubiste, 1952) – Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid
Künstlerische Entwicklung
Frühe Karriere und Ausbildung
Albert Gleizes erhielt zunächst eine Ausbildung als Textilzeichner bei seinem Vater, bevor er sich autodidaktisch der Malerei widmete. Seine frühen Werke waren impressionistisch geprägt, doch sein Interesse an der Struktur von Formen führte ihn bald in eine neue Richtung. 1906 gründete er mit anderen Künstlern die Künstlergemeinschaft Abbaye de Créteil, die sich der unabhängigen Kunstproduktion widmete. Dort experimentierte er mit neuen Darstellungsweisen, die sich von den flüchtigen Lichtstimmungen des Impressionismus abwandten. Seine Faszination für Paul Cézanne, der als Vorläufer des Kubismus gilt, veranlasste ihn, sich intensiver mit der Vereinfachung von Formen und der Darstellung multipler Perspektiven auseinanderzusetzen.
Wichtige Stationen und Werke
Ausstellungserfolg und Rolle im Salon-Kubismus
Im Jahr 1911 präsentierte Gleizes seine Werke im Salon des Indépendants – einer Ausstellung, die den Kubismus erstmals einer breiten Öffentlichkeit näherbrachte. Zusammen mit Henri Le Fauconnier, Fernand Léger, Jean Metzinger und Robert Delaunay entwickelte er den sogenannten Salon-Kubismus. Diese Strömung zeichnete sich durch dynamische Kompositionen, großflächige Bildanlagen und eine rhythmische Gliederung aus. Gleizes’ Porträt von Jacques Nayral (1911) steht exemplarisch für diese Phase.
Krieg, Exil und neue Einflüsse in New York
Während des Ersten Weltkriegs wurde Gleizes zum Militär eingezogen, konnte jedoch weiterhin als Künstler arbeiten. 1915 emigrierte er gemeinsam mit seiner Frau Juliette Roche in die Vereinigten Staaten. In New York kam er in Kontakt mit Vertretern der amerikanischen Avantgarde wie Marcel Duchamp und Francis Picabia. Der Austausch mit diesen Künstlern beeinflusste seine stilistische Weiterentwicklung und erweiterte seinen Blick auf moderne Kunstformen.
Rückkehr nach Frankreich und theoretische Vertiefung
Nach seiner Rückkehr nach Frankreich im Jahr 1919 verlagerte Gleizes seinen Schwerpunkt zunehmend auf kunsttheoretische Fragen. In den 1920er Jahren formulierte er seine Vorstellungen von Bewegung und Struktur in der Malerei und veröffentlichte dazu mehrere Schriften. Zu seinen wichtigsten theoretischen Arbeiten zählt La Peinture et ses lois (1923), in der er seine systematische Herangehensweise an Form und Rhythmus darlegte.
Gleizes und das Engagement für abstrakte Kunst
Parallel zu seiner theoretischen Arbeit engagierte sich Gleizes in der Gruppe Abstraction-Création, die eine nicht-gegenständliche Kunst jenseits des traditionellen Kubismus förderte. In dieser Phase wuchs sein Interesse an großformatigen Werken, insbesondere an Wandbildern. Er gestaltete unter anderem monumentale Arbeiten für sakrale Räume und verband damit seine künstlerische Praxis mit spirituellen Fragestellungen.
Stilmerkmale
- Geometrische Abstraktion: Vereinfachung der Formen zu klaren, geometrischen Strukturen.
- Multiple Perspektiven: Darstellung eines Motivs aus verschiedenen Blickwinkeln innerhalb eines einzigen Bildes.
- Dynamische Kompositionen: Einsatz von wiederkehrenden Mustern und rhythmischen Strukturen.
- Farbige Flächen: Nutzung von kräftigen Farbflächen zur Strukturierung des Bildraums.
- Synthese von Kunst und Theorie: Verbindung von praktischer Malerei mit philosophischen Konzepten über Raum und Wahrnehmung.
Techniken und Materialien
Gleizes arbeitete hauptsächlich mit Öl auf Leinwand, wobei er eine pastose Malweise bevorzugte. Er experimentierte zudem mit Drucktechniken, Schablonendruck und Schichtungen von Farbe, um die Illusion von Bewegung zu verstärken. Seine Malerei entwickelte sich in den 1920er Jahren zunehmend hin zu einer mathematisch-strukturierten Kompositionsweise, die auf präzisen rhythmischen Ordnungen basierte.
Gleizes' Einfluss und Vermächtnis
Albert Gleizes hatte einen nachhaltigen Einfluss auf die moderne Kunst. Seine kunsttheoretischen Schriften inspirierten zahlreiche Künstler des 20. Jahrhunderts, darunter Theo van Doesburg, Piet Mondrian und Wassily Kandinsky. Besonders am Bauhaus fanden seine Ideen über die räumliche Dynamik und die Abstraktion große Beachtung. Seine Theorien über Rhythmus in der Kunst beeinflussten auch die nachfolgenden Generationen abstrakter Maler. Neben seinen direkten künstlerischen Nachfolgern hinterließ er ein Vermächtnis in der Kunstpädagogik: Seine Arbeiten zur Systematisierung des Malprozesses wurden später in der Bauhausbücher-Reihe veröffentlicht und dienten als Grundlage für moderne Kunsttheorien.
Albert Gleizes: Die wichtigsten Fakten
- Geboren am 8. Dezember 1881 in Paris.
- Mitbegründer des Kubismus und Co-Autor von Du „Cubisme“.
- Teilnehmer am Salon des Indépendants 1911.
- Gründete 1927 die Künstlerkolonie Moly-Sabata.
- Beeinflusste das Bauhaus und moderne Kunsttheorien.
- Entwickelte einen stark theoretisch geprägten Kubismus mit Fokus auf Rhythmus.
- Wandte sich später religiösen Themen zu.
Albert Gleizes war nicht nur ein bedeutender Maler, sondern auch ein zentraler Theoretiker des Kubismus. Während seine frühen Werke noch vom Impressionismus beeinflusst waren, entwickelte er bald eine klare, rhythmische Formensprache, die sich durch geometrische Strukturen und multiple Perspektiven auszeichnete. Im Gegensatz zu Picasso und Braque strebte Gleizes eine konzeptionelle Ausweitung des Kubismus an, die über die reine Bildkomposition hinausging. Mit seiner Schrift Du „Cubisme“ und seinen späteren Theorien prägte er die Entwicklung der abstrakten Kunst maßgeblich und inspirierte Strömungen wie den Konstruktivismus und das Bauhaus. Seine Suche nach einer Verbindung zwischen Kunst, Philosophie und Spiritualität verlieh seinem Werk eine tiefere Dimension, die bis heute in der modernen Kunsttheorie nachhallt. Albert Gleizes verstarb am 23. Juni 1953 in Saint-Rémy-de-Provence im Alter von 71 Jahren.