Karl Schmidt-Rottluff
Karl Schmidt-Rottluff, geboren am 1. Dezember 1884 in Rottluff bei Chemnitz, prägte als Mitbegründer der Künstlergruppe „Die Brücke“ die expressionistische Kunst in Deutschland. Schon früh wandte er sich von akademischen Normen ab und entwickelte eine unverwechselbare Bildsprache, die durch kräftige Farben, markante Linienführung und eine Reduktion der Formen auf das Wesentliche gekennzeichnet war. Sein Interesse galt nicht nur der Malerei, sondern auch der Druckgrafik und Skulptur.
Wichtige Werke und Ausstellungen
- Roter Turm im Park (1910) – Städel Museum, Frankfurt am Main
- Sinnende Frau (1912) – Brücke-Museum, Berlin
- Mädchen bei der Toilette (1912) – Brücke-Museum, Berlin
- Freundinnen (1926) – Brücke-Museum, Berlin
- Selbstbildnis mit Zigarette (1919) – Museum of Modern Art, New York
- Bildnis Rosa Schapire (1911) – Brücke-Museum, Berlin
- Zwei Frauen (1912) – Brücke-Museum, Berlin
- Abend im Zimmer (1935) – Brücke-Museum, Berlin
- Garten im Winter (1969) – Brücke-Museum, Berlin
- Stillleben mit Sanseveria und Krug (1956) – Brücke-Museum, Berlin
Künstlerische Entwicklung
Frühe Karriere und Ausbildung
Karl Schmidt wuchs als Sohn eines Mühlenbesitzers auf und zeigte schon in frühen Jahren eine große Begeisterung für Kunst. Sein Weg führte ihn an das humanistische Gymnasium in Chemnitz, wo er Erich Heckel kennenlernte. Beide verband eine enge Freundschaft, die sie 1905 an die Technische Hochschule in Dresden führte. Dort begann Schmidt-Rottluff zunächst ein Architekturstudium, entschied sich jedoch bald für die freie Kunst. Noch im selben Jahr gründete er mit Heckel, Ernst Ludwig Kirchner und Fritz Bleyl die expressionistische Künstlergruppe „Die Brücke“, die sich gegen den akademischen Kunstbetrieb richtete und neue Wege suchte, Emotion und Ausdruck in der Kunst zu betonen.
Wichtige Stationen und Werke
Zwischen 1907 und 1912 verbrachte Schmidt-Rottluff zahlreiche Sommer in Dangast an der Nordsee, wo er eine Reihe von Landschaftsgemälden schuf, die seinen Stil prägten. 1911 zog er nach Berlin, wo er verstärkt mit kubistischen Elementen experimentierte. In den Jahren 1915 bis 1918 wurde sein künstlerisches Schaffen durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen, da er als Soldat an der Ostfront stationiert war. Trotz der widrigen Umstände fertigte er in dieser Zeit zahlreiche Zeichnungen und Aquarelle an, die sich mit den Schrecken des Krieges auseinandersetzten. Nach Kriegsende kehrte er nach Berlin zurück und heiratete 1919 Emy Frisch, die ihn in seinem weiteren Schaffen unterstützte.
Stilmerkmale
- Kräftige Farben: Intensive, oft ungemischte Farbtöne verleihen seinen Werken eine hohe Ausdruckskraft.
- Markante Linienführung: Die oft grobe, kantige Zeichnung verstärkt die emotionale Wirkung.
- Flächige Komposition: Perspektivische Tiefe wird zugunsten einer betonten Flächigkeit aufgegeben.
- Reduktion der Formen: Die Motive erscheinen oft vereinfacht, mit klaren, geometrischen Strukturen.
- Dynamik und Bewegung: Durch Kontraste und schräge Linien erzeugt er eine vibrierende Energie in seinen Bildern.
Techniken und Materialien
Schmidt-Rottluff arbeitete bevorzugt mit Ölfarben, Aquarell und Holzschnitt. Besonders seine Holzschnitte, die er mit groben Werkzeugen bearbeitete, zeichnen sich durch eine markante Textur aus. Die reduzierte Formensprache, die er in dieser Technik entwickelte, verlieh seinen Werken eine einzigartige Ausdrucksstärke. Zudem fertigte er Skulpturen an, die seine Vorliebe für klare Formen und starke Kontraste widerspiegeln.
Schmidt-Rottluffs Einfluss und Vermächtnis
Als Mitbegründer der „Brücke“ hatte Schmidt-Rottluff einen enormen Einfluss auf die Entwicklung des Expressionismus in Deutschland. Seine kühne Farbgebung und seine expressive Formensprache inspirierten zahlreiche Künstler, darunter Max Pechstein, Emil Nolde und Lyonel Feininger. Selbst nach der Auflösung der „Brücke“ im Jahr 1913 blieb sein Einfluss auf die expressionistische Bewegung bestehen.
Während der NS-Zeit wurden seine Werke als „entartete Kunst“ diffamiert. 1937 beschlagnahmten die Nationalsozialisten 608 seiner Arbeiten aus deutschen Museen, einige wurden sogar in der berüchtigten Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt. 1941 erhielt er ein Malverbot und zog sich nach Chemnitz zurück. Trotz dieser Unterdrückung blieb sein Einfluss bestehen.
Nach dem Krieg wurde er rehabilitiert und ab 1947 als Professor an die Hochschule für Bildende Künste in Berlin berufen. Er setzte sich aktiv für die Wiederbelebung der expressionistischen Kunst in Deutschland ein und spielte eine entscheidende Rolle bei der Gründung des Brücke-Museums in Berlin, das 1967 eröffnet wurde. Heute befindet sich dort ein bedeutender Teil seines Nachlasses.
Karl Schmidt-Rottluff: Die wichtigsten Fakten
- Mitbegründer der Künstlergruppe „Die Brücke“ im Jahr 1905.
- Bekannt für expressionistische Landschaften, Stillleben und Porträts.
- Seine Werke wurden 1937 von den Nationalsozialisten als „entartete Kunst“ eingestuft.
- Nach dem Krieg Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin.
- 1967 Initiator des Brücke-Museums in Berlin.
Karl Schmidt-Rottluff war ein Künstler, der konsequent seinen eigenen Weg ging – kraftvoll, eigenwillig und voller innerer Überzeugung. Mit seiner expressiven Farbwelt und markanten Formensprache prägte er nicht nur den Stil der „Brücke“, sondern auch das Selbstverständnis der Moderne in Deutschland. Seine Werke sind durchdrungen von einem unmittelbaren Ausdruckswillen, der sich kompromisslos gegen das Glatte und Dekorative stellt. Auch nach Verfemung und Verbot blieb seine Kunst eine Stimme des Widerstands – klar, direkt und lebendig. Karl Schmidt-Rottluff starb am 10. August 1976 in Berlin im Alter von 91 Jahren.