Henri Matisse
Henri Matisse war ein Wegbereiter der Klassischen Moderne und Hauptvertreter des Fauvismus. Mit intensiven Farben, dynamischer Linienführung und flächigen Formen revolutionierte er die Kunst des 20. Jahrhunderts. Neben Pablo Picasso zählt er zu den einflussreichsten Künstlern seiner Zeit. Seine Werke zeichnen sich durch spielerische Kompositionen und eine scheinbare Leichtigkeit aus. Neben der Malerei war Matisse als Grafiker, Zeichner und Bildhauer tätig. Nach einer schweren Erkrankung entwickelte er die Gouaches découpées, farbige Scherenschnitte, die seine Reduktion auf das Wesentliche vollendeten. Sein Stil beeinflusste viele Künstler, insbesondere die abstrakten Expressionisten in den USA wie Mark Rothko und Jackson Pollock. Die von ihm entworfene Rosenkranzkapelle in Vence betrachtete er als sein Meisterwerk.
wichtige Werke und Ausstellungen
- Die Lebensfreude (Le Bonheur de Vivre, 1905–1906) – Barnes Foundation, Philadelphia
- Der Tanz (La Danse, 1910) – Eremitage, St. Petersburg
- Die rote Werkstatt (L’Atelier Rouge, 1911) – Museum of Modern Art, New York
- Frau mit Hut (Woman with a Hat, 1905) – San Francisco Museum of Modern Art
- Blaues Aktbild (Blue Nude II, 1952) – Museum of Modern Art, New York
- Die grüne Linie (The Green Line, 1905) – Statens Museum for Kunst, Kopenhagen
- Luxe, Calme et Volupté (1904) – Musée d’Orsay, Paris
- Die rumänische Bluse (La Blouse Roumaine, 1940) – Centre Pompidou, Paris
- Goldfische (Les Poissons Rouges, 1912) – Puschkin-Museum, Moskau
- Die Schnecke (The Snail, 1953) – Tate Modern, London
Künstlerische Entwicklung
Frühe Karriere und Ausbildung
Ursprünglich studierte Matisse Rechtswissenschaften in Paris, bevor er 1891 an die Académie Julian wechselte, um sich der Kunst zu widmen. Dort wurde er von William-Adolphe Bouguereau unterrichtet, später schloss er sich der École des Beaux-Arts an, wo er unter Gustave Moreau lernte. Moreau bestärkte ihn darin, einen eigenen Stil zu entwickeln, anstatt die akademische Tradition zu kopieren. Sein frühes Werk war stark vom Impressionismus beeinflusst, was sich insbesondere nach seiner Reise zur Bretagne 1896 zeigte. Dort traf er John Peter Russell, der ihn mit den Werken von Vincent van Gogh vertraut machte. Dies führte dazu, dass seine Farbpalette intensiver wurde und seine Pinselführung expressiver. Zudem besuchte er 1898 London, um sich mit den Werken William Turners auseinanderzusetzen, dessen Lichtwirkung ihn nachhaltig inspirierte. 1899 kaufte Matisse das Gemälde Drei Badende von Paul Cézanne, das einen erheblichen Einfluss auf seine spätere Malerei hatte.
Wichtige Stationen und Werke
1905 verbrachte Matisse den Sommer mit André Derain in Collioure, einem kleinen Fischerdorf am Mittelmeer. Dort entwickelte sich sein einzigartiger Stil, der später als Fauvismus bekannt wurde. Die Bilder, die er in dieser Zeit schuf, zeichnen sich durch stark gesättigte Farben und eine Vereinfachung der Formen aus. Diese radikale Herangehensweise stieß auf heftige Kritik, insbesondere nach seiner Teilnahme am Salon d’Automne 1905, wo Kritiker ihn als „Fauve“ („wildes Tier“) bezeichneten. Dennoch fanden sich erste Förderer, darunter die einflussreichen Sammler Gertrude und Leo Stein, die sein Werk frühzeitig erwarben und ihn in die Pariser Avantgarde-Kreise einführten. 1906 reiste Matisse nach Algerien, was ihn zu seinem berühmten Werk Blauer Akt inspirierte.
Seine Reisen nach Nordafrika, insbesondere nach Marokko, erweiterten seine Vorstellung von Farbe und Licht. Die dortige Architektur, Ornamente und die islamische Kunst beeinflussten seine Werke nachhaltig. 1911 reiste er nach Russland und besuchte Sergei Schtschukin, der ihn mit großen Aufträgen unterstützte. In seinen Nizza-Jahren nach 1917 entwickelte Matisse eine Vorliebe für Interieur-Szenen mit reich verzierten Stoffen, Fenstern und mediterranem Licht.
In den 1930er Jahren erhielt er den prestigeträchtigen Auftrag für das Wandgemälde Der Tanz in der Barnes Foundation, wofür er monatelang Skizzen anfertigte. In dieser Zeit begann er auch, intensiv mit Buchillustrationen zu arbeiten, darunter die Poésie von Stéphane Mallarmé.
Stilmerkmale
- Farbintensität: Einsatz von reinen, ungemischten Farben zur Betonung von Ausdruck und Stimmung.
- Flächigkeit: Reduktion der Perspektive, um einen dekorativen, fast ornamentalen Effekt zu erzielen.
- Dynamische Linien: Seine geschwungenen, oft stark vereinfachten Linien definieren die Formen, ohne unnötige Details.
- Dekorative Muster: Wiederkehrende textile Motive und florale Elemente.
- Abstraktion: Konzentration auf das Wesentliche durch Vereinfachung der Figuren und Gegenstände.
Techniken und Materialien
Neben der Malerei war Matisse auch als Bildhauer und Grafiker tätig. In den 1940er Jahren, nach einer schweren Darmoperation, war er physisch nicht mehr in der Lage, große Leinwände zu bemalen. Stattdessen entwickelte er die Technik der „Papiers découpés“ (Scherenschnitte), bei der er farbige Papiere zurechtschnitt und auf Leinwand oder Papier arrangierte. Diese Technik führte zu bahnbrechenden Werken wie „Die Schnecke“ (1953), das fast vollkommen abstrakt ist.
Matisse' Einfluss und Vermächtnis
Matisse‘ Werk beeinflusste zahlreiche Künstler, darunter Pablo Picasso, der ihn als ebenbürtigen Rivalen betrachtete. Auch Joan Miró, Mark Rothko, Ellsworth Kelly, die New Yorker School um Jackson Pollock und Helen Frankenthaler sowie der deutsche Expressionist Ernst Ludwig Kirchner zogen Inspiration aus seinen Farben und Kompositionen. Seine Reduktion der Form beeinflusste spätere Bewegungen wie den Abstrakten Expressionismus und die Minimal Art. Auch die amerikanischen Sammlerinnen Claribel und Etta Cone trugen maßgeblich dazu bei, dass Matisse in den USA bekannt wurde.
Seine Arbeiten in der Buchillustration und Kunsttheorie, darunter Notes d’un Peintre (1908), dienten als wichtige Referenz für spätere Generationen von Künstlern. 1951 erklärte Matisse, dass er die Gestaltung der Rosenkranzkapelle in Vence als sein Meisterwerk ansah, da sie seine künstlerische Vision in Architektur, Licht und Farbe vereinte.
Henri Matisse: Die wichtigsten Fakten
- Geboren am 31. Dezember 1869 in Le Cateau-Cambrésis, Frankreich.
- Studierte an der Académie Julian und der École des Beaux-Arts in Paris.
- Prägte als Hauptvertreter den Fauvismus.
- Entwickelte die „Papiers découpés“-Technik nach seiner schweren Krankheit.
- War ein enger Freund und Rivale von Pablo Picasso.
- Seine Werke sind in den bedeutendsten Museen der Welt ausgestellt.
- Starb am 3. November 1954 in Nizza im Alter von 84 Jahren.
Matisse‘ Schaffen war von einem unermüdlichen Streben nach Einfachheit und Ausdruck geprägt. Trotz zahlreicher Herausforderungen, von finanziellen Krisen bis zu schwerer Krankheit, fand er immer wieder neue Wege, seine Kunst weiterzuentwickeln. Sein Spätwerk, geprägt von den ikonischen Scherenschnitten, markierte einen revolutionären Wendepunkt in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Sein Einfluss reicht bis heute in die moderne Malerei, Grafik und Skulptur hinein. Matisse starb am 3. November 1954 in Nizza im Alter von 84 Jahren.