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Dora Maar

Dora Maar, geboren als Henriette Theodora Markovitch am 22. November 1907 in Tours, Frankreich, war eine vielseitige Künstlerin, die als Fotografin, Malerin und Dichterin tätig war. Ihre experimentellen Fotomontagen und surrealistischen Kompositionen machten sie zu einer der faszinierendsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Während sie anfangs mit ihrer Kamera gesellschaftliche Randgruppen dokumentierte, wandte sie sich später verstärkt surrealistischen Inszenierungen zu. Ihre enge Verbindung zur Pariser Kunstszene brachte sie mit Persönlichkeiten wie Man Ray, Georges Bataille und André Breton in Kontakt. Besonders bekannt wurde sie jedoch als Muse und Geliebte von Pablo Picasso, den sie nicht nur inspirierte, sondern dessen Werk sie auch fotografisch dokumentierte.

wichtige Werke und Ausstellungen

  1. Porträt von Ubu (Portrait d’Ubu, 1936) – Tate Modern, London
  2. Ohne Titel (Hand-Muschel) (Sans Titre (Main-coquillage), 1934) – Tate Modern, London
  3. Doppelporträt (Double Portrait, 1930) – Privatsammlung
  4. Kerzenleuchter (Candelabra, 1935) – Privatsammlung
  5. Mannequin im Schaufenster (Mannequin en vitrine, 1935) – Privatsammlung
  6. Die Jahre lauern auf dich (The Years Lie in Wait for You, 1936) – Privatsammlung
  7. Ohne Titel (Untitled, 1930er Jahre) – Museum of Modern Art, New York
  8. Ohne Titel (Solarisation) (Untitled (Solarisation), 1930er Jahre) – Centre Pompidou, Paris
  9. Ohne Titel (Fotogramm) (Untitled (Photogram), 1930er Jahre) – Centre Pompidou, Paris
  10. Ohne Titel (Pseudopodaric Composition) (Untitled (Pseudopodaric Composition), 1930er Jahre) – Centre Pompidou, Paris

Künstlerische Entwicklung

Frühe Karriere und Ausbildung

Dora Maar verbrachte ihre Kindheit zunächst in Paris, bevor ihre Familie nach Buenos Aires zog, wo ihr Vater als Architekt für die österreichisch-ungarische Botschaft arbeitete. Diese frühen Jahre in Südamerika prägten ihr spätes Interesse an internationalen Kunstströmungen und beeinflussten ihre visuelle Wahrnehmung. 1926 kehrte sie nach Frankreich zurück und begann ein Studium an der École des arts décoratifs, gefolgt von einer Ausbildung an der École de photographie und der Académie Julian. Ihr Wunsch, sich sowohl mit Malerei als auch mit Fotografie auseinanderzusetzen, führte sie später in das Atelier von André Lhote, einem Verfechter des Kubismus.

In dieser Zeit lernte sie die Malerin Jacqueline Lamba kennen, die später die zweite Frau von André Breton wurde. Lamba führte sie tiefer in den Kreis der Surrealisten ein, während sie mit dem Fotografen Pierre Kéfer ein gemeinsames Fotostudio eröffnete. Dieses Studio spezialisierte sich auf Mode- und Werbefotografie, teilte sich jedoch die Dunkelkammer mit Brassaï, einem der führenden Fotografen der damaligen Zeit. Diese enge Zusammenarbeit eröffnete Maar neue künstlerische Möglichkeiten und brachte sie mit bedeutenden Persönlichkeiten der Avantgarde in Verbindung. 

Wichtige Stationen und Werke

1936 entstand ihr bekanntestes Werk, das „Porträt von Ubu“, eine verstörende Aufnahme, die von Alfred Jarrys absurder Bühnenfigur König Ubu inspiriert war. Die Aufnahme eines Gürteltier-Embryos in surrealer Lichtsetzung wurde zu einer Ikone der surrealistischen Bewegung. Im selben Jahr lernte sie in dem legendären Pariser Café Les Deux Magots Pablo Picasso kennen. Ihre Beziehung begann mit einer intensiven kreativen Zusammenarbeit, die für beide Künstler von enormer Bedeutung war.

Maar dokumentierte fotografisch die Entstehung von Picassos Meisterwerk „Guernica“, einer Reaktion auf die Schrecken des Spanischen Bürgerkriegs. Ihre Fotografien sind heute essenziell für das Verständnis von Picassos Arbeitsweise. Gleichzeitig porträtierte Picasso Maar in mehreren Werken, darunter die berühmte Serie der „Weinenden Frau“. Diese Darstellungen wurden oft als Ausdruck der Spannungen in ihrer Beziehung gedeutet, spiegelten aber auch Picassos politische Gefühle gegenüber dem Krieg wider.

Rückzug und spätere Jahre

Nach ihrer Trennung von Picasso im Jahr 1943 geriet Maar in eine schwere persönliche Krise. Sie zog sich zunehmend zurück und entwickelte Depressionen, die in einem dreiwöchigen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik in Sainte-Anne gipfelten. Auf Empfehlung von Picasso und Paul Éluard wurde sie später von dem Psychoanalytiker Jacques Lacan behandelt. In den folgenden Jahren suchte sie Trost in der Religion und zog sich in ihr Haus in Ménerbes zurück, das Picasso ihr überlassen hatte.

Erst in den 1970er-Jahren kehrte Maar zur Fotografie zurück und experimentierte mit alten Negativen sowie Rayogrammen, einer Technik, die sie von Man Ray erlernt hatte. Obwohl sie den kreativen Anschluss an die Avantgarde der 1930er Jahre nie ganz wiederfand, fanden ihre Werke posthum zunehmende Anerkennung.

Stilmerkmale

  • Surrealistische Fotomontagen – Kombination verschiedener Bildelemente zu traumähnlichen Kompositionen.
  • Spiel mit Licht und Schatten – Dramatische Beleuchtung erzeugte geheimnisvolle Stimmungen.
  • Sozialdokumentarische Fotografie – Realistische Darstellungen sozialer Randgruppen.
  • Abstrakte Malerei – Späte Werke zeigten eine Hinwendung zur Abstraktion mit kräftigen Farben und Formen.

Techniken und Materialien

Dora Maar nutzte eine Vielzahl von Techniken, darunter die Solarisation, die für einen traumhaften, beinahe negativen Effekt sorgte. Ihre frühen Arbeiten im Bereich der Werbefotografie zeigten eine ausgeprägte Sensibilität für Komposition und grafische Elemente. In ihrer Malerei experimentierte sie mit Ölfarben und schuf Stillleben, die stark von religiösen Symbolen geprägt waren.

Maars Einfluss und Vermächtnis

Dora Maar beeinflusste nicht nur Picasso, sondern auch viele andere Künstler der surrealistischen Bewegung. Besonders Henri Cartier-Bresson, der sich stark für die surrealistische Fotografie begeisterte, wurde von ihren Arbeiten inspiriert. Frida Kahlo, deren Selbstporträts oft eine ähnliche emotionale Intensität wie Maars „Weinende Frau“ zeigten, schätzte ihr Werk. Auch Claude Cahun, eine weitere surrealistische Fotografin, übernahm Elemente aus Maars Montagen.

Obwohl Maar lange Zeit auf ihre Rolle als „Picassos Muse“ reduziert wurde, fand in den letzten Jahrzehnten eine Neubewertung ihrer Kunst statt. Besonders die Retrospektive im Centre Pompidou 2019, die mehr als 400 Werke umfasste, verdeutlichte die Bandbreite ihres Schaffens. Heute gilt Dora Maar als eine der wichtigsten Künstlerinnen des Surrealismus.

Dora Maar: Die wichtigsten Fakten

  • Geboren am 22. November 1907 in Tours als Henriette Theodora Markovitch.
  • Enge Verbindung zur Pariser Surrealistenszene.
  • Dokumentierte 1937 fotografisch die Entstehung von „Guernica“.
  • Bekannt für ihre surrealistischen Fotomontagen.
  • Beeinflusste Künstler wie Henri Cartier-Bresson und Frida Kahlo.
  • Starb am 16. Juli 1997 in Paris im Alter von 89 Jahren.

Dora Maar war weit mehr als nur eine Randfigur im Schatten Picassos. Ihr Werk zeigt eine Künstlerin, die sich kompromisslos zwischen politischer Schärfe, surrealem Experiment und persönlicher Verletzlichkeit bewegte. Ihre Bildsprache bleibt eindringlich – nicht, weil sie laut war, sondern weil sie mit Blick, Licht und Form das Unsichtbare greifbar machte. Heute tritt sie endlich aus dem Schatten anderer und wird als eigenständige, vielschichtige Stimme der modernen Kunstgeschichte gehört.

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